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Präsident zu Air, der, seines Standes halber, die. Geistlichkeit nicht wider sich aufbringen konnte, ward durch dieselbe gezwungen, dem Sohn das Recht der Erstgeburt wegen dieses Buchs-zu nehmen, und es seinem zweyten Sohne, dem Präsidenten d'Eguilles zu geben. Der Markis ertrug dies mit vieler Gleichmüthigkeit, und liebte unter seis nen Verwandten seinen Bruder d'Eguilles vorzugs lich mit der größten Zärtlichkeit. Aber über diesen und mehrere edle Züge seines Charakters sah man weg; und wußte von seinem Leben in seinen reifern Jahren und in seinem Alter nichts genauers zu erzählen, als einige äußerliche Sonderbarkeiten, die freylich auch gemeinen Beobachtern eher in die Augen fielen, als seine sehr schäßbare Seite.

Er ging wenig, oder eigentlich fast gar nicht aus, sondern beschäftigte sich immer auf seinem Zimmer. Er war sehr empfindlich gegen die Kälte, und zog daher beständig ein Paar Schlafröcke über einander, und trug beständig über eine baumwollne noch eine wollene Müße auf dem Kopfe. Eben so war ihm trübes Wetter äußerst unangenehm. Wenn man ihn in gute Laune sehen wollte, mußte man erst mit ihm von schönem Wetter reden, und wenn nur der Himmel nicht ganz bewölkt

war,

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.war, ihn versichern, die Sonne scheine hell und die Luft sey warm: welches der gute alte Mann bey nur einigem Grade von Wahrscheinlichkeit sehr gerne glaubte, weil er gern gutes Muths seyn mochte. Man verlachte ihn bitter über diese kleinen Schwächen. Aber man überlegte nicht, daß dieser Mann in der warmen und heitern Luft der Pros vence geboren war, und sein Baterland ausserors dentlich liebte. Wer unser nördliches Klima von Jugend auf gewohnt ist, mag sich keinen Begriff machen, wie schwer es oft einem im südlichen Hims melsstriche Gebornen wird, in dem unsrigen ans genehm zu existiren. Man durfte dem Markis d'Argens nur den beau foleil de Provence nennen, so erheiterte sich seine ganze Physiognomie.

Er hatte freylich noch mehrere Schwachheiten, die man nicht ganz ohne Lächeln betrachten konnte. 3. B. Er fürchtete sich vor allen Krankheiten. Man konnte ihm sehr leicht einbilden, er sey krank; und er selbst bildete es sich leicht ein. Er war dabey, was man von ihm am wenigsten glauben sollte, is einigen Stücken abergläubisch. Er hielt etwas auf Vorbedeutungen; und ward z. B., wenn bey Tische ein Sal;faß umgeworfen ward, äußerst mismuthig. Ein unvermutheter Anblick einer Heerde

Heerde Schweine oder schwarzgekleideter Leute, war ihm höchlich zuwider. Er verheelte übrigens nicht, daß er selbst dies für Schwachheiten hielt, gestand aber seinen Freunden, daß alle philosophis sche Gründe die unwillkührlichen Empfindungen bey ihm nicht unterdrücken könnten. †)

Er besaß aber bey diesen Schwachheiten, wegen welcher er oft hinter seinem Rücken verspottet ward, viel schäßbare Eigenschaften, die ihm beynahe gar nicht angerechnet wurden. Er hatte wirklich mehr gelehrte Kenntnisse, als man sonst bey einem französischen Hofmann findet. Besonders war er in den griechischen Philosophen und in den Kirchens våtern nicht unbelesen. Er besaß in den schönen Künsten, vorzüglich in der Malerey gute Kennt nisse. Ausser Algarotti hatte vielleicht kein Ge lehrter in größerem Maaße, wie d'Argens, die Gabe, den Hofleuten und Weltleuten seine Kennt uisse in Wissenschaften und schönen Künsten mitzutheilen und sie ihnen angenehm zu machen.

war

1) Der Verf. der Vie de Voltaire par M. (1787. 8. gr. fagt S. 118 nicht übel: d'Argens, comme philofophe doutait de tout, comme homme de focieté croyait tout. Das übrige, was er von dessen Cha‹ rakter sagt, ist unrichtig und unbillig.

war ein sehr ehrlicher Mann und ein guter Hauss vater. Er liebte seine Gemahlinn †) zärtlich, und war äußerst sorgsam für alles, was derselben Wohl betraf. Alles, was um ihn war, war ihm werth ; und wenn er zuweilen jemand in einige Verlegenheit seh. te, geschah es nur, weil er in der besten Absicht allzus gern dessen Vergnügen noch mehr befördern oder ans ordnen wollte. Er war unbeerbt, liebte aber Kinder, und hatte nach einander zwey Pflegetöchter bey sich, auf deren gute Erziehung und künftige gute Verz Heirathung er mit größter Sorgfalt bedacht war. Die zweyte Pflegetochter adoptirte er in Frank

reich

Ich weiß gar nicht, woher Herr Rath Adelung, (in der Fortseßung von Jöchers Gelehrtenlexikon S. 1052) die ganz falsche Nachricht mag genoms men haben: daß der Markis sich von seiner Gemahlinn getrennt habe. Diese rechtschaffene und lie: benswürdige Frau, eine geb. Cochois, hat ihm niemals die geringste Ursachen zum Mißvergnügen gegeben. Beide waren ein Muster einer glückli chen Ehe. Sie liebte ihn aufrichtig, war genau aufmerksam auf alle seine Wünsche, hatte mit allen seinen kleinen Schwachheiten außerordentlich viel Geduld, und pflegte ihn sorgfältigst bey seiner öftern Kränklichkeit. Sie lebt, so viel ich weiß, noch in der Provence, und ist, selbst in der dort sehr ansehnlichen Familie des Markis, in großer Achtung.

Er

reich, kurz vor seinem Tode, und verheirathete fie an einen Parlamentsrath in Aix, von einem sehr guten Hause. Sein kleiner häuslicher Zirkel war wirklich ein sehr angenehmer Anblick. Der Markis war voll der äußersten Gutmüthigkeit in allen seinen Handlungen; seine provenzalische Leb. haftigkeit machte zwar, daß er leicht aufbrausete, aber er ließ sich auch eben so geschwind zufrieden sprechen.” Er hatte sehr lebhaften Wiß, war daher bey ges funden Tagen der angenehmste Gesellschafter, voll Naivetåt und guter Laune. Seine Repartieen was ren oft sehr kaustisch, doch nie beleidigend. war wohlthätig, und edel in seinen Gesinnungen, und tolerant in Religionssachen. Man hielt ihn für einen Religionsspötter. Es ist wahr, daß er Aber die Pfaffereyen der katholischen Geistlichen und Mönche oft mit sehr lebhaftem Wise lachte; aber die Religion selbst machte er nicht lächerlich. Seine Gemahlinn ging sonntåglich in die Messe. Seinen alten treuen Bedienten Jean, und seine Köchinn, die lutherisch waren, schickte er Sonns tags Nachmittags in die lutherische Kirche; und seine erste Pflegetochter, die reformirt war, mußte nicht allein alle Sonntage eine reformirte Predigt hören, sondern er machte sogar für sie, da er sie › Nikolai Anekd. v. K. Fr. II. 18 H. B Без

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