Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Band 66 Nr. 26 1. Juli 1922

Geiger: Berechaung der Schwingungserscheinungen an Turbodynamos

I

Berechnung der Schwingungserscheinungen an Turbodynamos

Von Dr. Jos. Geiger, Augsburg

Es werden einfache Verfahren zur Vorausberechnung der Fundamentschwingungen von Turbodynamos abgeleitet.

'n meiner früheren Abhandlung') habe ich gezeigt, wie man die Schwingungserscheinungen an Turbodynamos auf dem Wege des Versuches mit Hilfe des Vibrographen untersuchen und aufklären kann. Es hat sich hierbei herausgestellt, daß gerade den Fundamentschwingungen eine große Bedeutung zukommt. Da, soweit mir bekannt, in der Literatur Verfahren fehlen, um die wirklich eintretenden Vorgänge im voraus zu berechnen, so dürfte das nachstehende einfache Verfahren, das ich im vorigen Jahre ausgearbeitet habe, für weitere Kreise von Wert sein.

Die Fundamente von Turbodynamos, Turbokompressoren und ähnlichen Maschinengruppen, Abb. 1, bestehen in der Regel aus sechs Pfeilern, die unten durch eine dicke, satt auf dem Erdreich aufliegende Fundamentplatte verbunden sind, während oben zur Wellenachse parallele Längsträger La, La und senkrecht dazu stehende Querträger Q1, Q2 die Verbindung darstellen. Auf den Querträgern ruht in Lagern die Welle. Aus baulichen und statischen Gründen werden im allgemeinen weder die Pfeiler unter sich noch die Quer- und die Längsträger mit gleichen Querschnitten ausgeführt. Eine Berechnung, die den wirklichen Erscheinungen gerecht werden will, muß daher diesen Umstand in Betracht ziehen.

Erfahrung und Versuch haben gezeigt, daß stärkere Schwingungen der Fundamente nur zu erwarten sind, wenn Resonanz auftritt, d. h. die Betriebsdrehzahl mit der Eigenschwingungszahl irgendeines Systemteiles zusammenfällt. Von den wenigen Ausnahmen dieser Regel soll ausdrücklich abgesehen werden. Zu unterscheiden ist zwischen Resonanz, verursacht durch Eigenschwingungen von Fundamentteilen, und Resonanz infolge der Eigenschwingungen andrer Teile, wie z. B. der Welle. Im letteren Fall ist das Fundament lediglich ein in Mitleidenschaft gezogener Teil, dessen Schwingungen zweckmäßig nicht an ihm selbst, sondern durch Änderungen desjenigen Teiles beseitigt werden, der die Ursache bildet, ähnlich wie man eine Krankheit am besten am Herd bekämpft. Anders dagegen, wenn die Ursache im Fundament liegt. Dann ist nur durch Anderung am Fundament abzuhelfen.

Die Frage der etwa auftretenden Schwingungen ist damit, soweit sie das Fundament angeht, im wesentlichen auf Eigenschwingungszahlen der einzelnen Fundamentteile zurückgeführt. Jeder Pfeiler kann nun für sich allein wagerechte Biegungsschwingungen parallel und senkrecht zur Wellenachse und Schwingungen in seiner Achsrichtung ausführen. Ebenso kann jeder an beiden Enden gehaltene Querträger senkrechte und wagerechte Biegungsschwingungen sowie Schwingungen in seiner eigenen Achsrichtung ausführen; das gleiche gilt sinngemäß für die Längsträger. Endlich könnte jeder Pfeiler oder Träger Drehschwingungen um seine Achse ausführen. Für praktische Fälle ist aber zu beachten,

1. daß die Pfeiler und Träger untereinander zusammen-
hängen, wobei ihre Verbindung gelenkig oder steif sein
kann, und

2. daß nur solche Eigenschwingungen in Betracht kom-
men, für die erregende Kräfte vorhanden sind; die von
der Turbinenwelle ausgehenden Kräfte wirken aber im
allgemeinen entweder in lofrechter oder in wagerechter
Richtung senkrecht zur Wellenachse und greifen an den
Lagern, also in einiger Höhe über der Mitte der Quer-
träger an.

Schwingungen der Träger und Pfeiler in Richtung der Wellenachse brauchen daher zunächst nicht in Betracht gezogen zu werden, ebenso spielen die Schwingungen der Längsträger keine aussschlaggebende Rolle, weil die von der Wellenachse ausgehenden erregenden Kräfte an den Querträgern und nicht an den Längsträgern angreifen, die Längsträger also nur mittelbar ins Schwingen kommen.

In erster Linie sind demnach folgende Fälle in Betracht zu ziehen:

1. bei Gelenkverbindung zwischen Pfeilern und Trägern
a) Fall nach Abb. 2,

b) Fall nach Abb. 3;

2. bei Fundamenten mit steifen Ecken:

Schwingung eines Querträgers mit den darunter

befindlichen beiden Pfeilern

c) nach Abb. 4,

d) nach Abb. 5.

1) S. Z. 1922 S. 437.

Die richtigste Ermittlung der Eigenschwingungszahl wäre, jedes Massenteilchen und seine elastische Verbindung mit den Nachbarteilen gesondert zu betrachten, wie z. B. bei den graphischen Verfahren zur Berechnung der Biegungs- oder der Torsionsschwingungen. Für die Praxis dürfte das zu umständlich und auch nach dem Stand der bisherigen Erfahrungen nicht nötig sein, da es nur darauf ankommt, die niedrigste Eigenschwingungszahl des Systems zu finden und ihr aus dem Wege zu gehen; außerdem schwanken die Elastizitätsziffern von Eisenbeton und andern Fundamentbaustoffen je nach Zusammenseßung und Alter ziemlich stark, so daß ein zeitraubendes genaues Rechnungsverfahren nur dort Zweck hat, wo ausnahmsweise die Elastizitätsziffer genau bekannt ist.

Das nachstehende Verfahren gestattet, mit Hilfe einer einfachen Formel die Eigenschwingungszahl mit einer für die Praxis ausreichenden Genauigkeit zu berechnen. Es beruht auf folgenden Vorausseßungen:

1. Die untere Befonsohle ist starr und unbeweglich.
2. Für die beiden Pfeiler wird ein gleichförmiger mittlerer
Querschnitt zugrunde gelegt.

3. desgleichen für den Querträger.

4. Die auf dem Querträger lastenden Gewichte werden in solche zerlegt, die ihn gleichmäßig, und solche, die ihn in der Mitte belasten.

5. Der Einfluß der Masse und Steifigkeit der anschließenden Längsträger auf die Schwingungen des Querträgers wird vernachlässigt.

Zu 1. Die Betonsohle ist im Vergleich zu den Pfeilern gewöhnlich sehr kräftig und ruht satt auf dem Erdreich auf. Ihre Bewegungen sind nach Messungen vielmals kleiner als die der Querträger.

Zu 2 und 3. Diese Vereinfachungen sind wesentlich, damit man eine einfache Formel erhält; als mittlerer Querschnitt soll nicht etwa das arithmetische Mittel aus dem obersten und untersten Querschnitt, sondern ein auf die ganze Höhe gleichbleibender Querschnitt verstanden werden, der etwa die gleiche Durchbiegung wie der wirkliche Pfeiler gibt.

Zu 4. Die Trägermasse selbst stellt die Hauptbelastung, und zwar eine gleichmäßig verteilte, dar. Sie muß unbedingt Die auf dem Träger ruhenden Maberücksichtigt werden. schinenteile (Lager) sind zum größten Teil Einzelbelastungen. Auch diese Einteilung liefert eine einfache, aber den wirklichen Verhältnissen möglichst angenäherte Formel. Nur Gewichtbelastungen sind in Rechnung zu seßen, also z. B. nicht der Kondensatorzug.

Der in Abb. 2 dargestellte Fall, der praktisch nur selten vorkommt, ist einfach zu behandeln.

[ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]
[blocks in formation]
[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]

wobei P die auf die ganze Länge a des Trägers gleichmäßig verteilte Belastung ist. Diese Eigenschwingungszahl wird prakfisch wegen ihrer hohen Lage kaum in Betracht kommen. Hierbei ist angenommen, daß die punktförmig über der Trägermitte angeordneten Massen nur wenig außerhalb der neutralen Faser des Trägers liegen, andernfalls würde sich die Eigenschwingungszahl entsprechend erniedrigen.

Ungleich häufiger als die gelenkige Verbindung wird die Verbindung mit steifen Ecken ausgeführt. Wir behandeln hier zuerst den praktisch besonders wichtigen Fall Abb. 4, d. h. die Verbiegungen eines aus dem Querträger und den beiden ihn stüßenden Pfeilern bestehenden Systems unter dem Einfluß von senkrechten Kräften. Die Länge des Querträgers sei wieder a, sein äquatoriales Trägheitsmoment 1, die Höhe der Pfeiler sei b und ihr Trägheitsmoment je . Bei punktförmigem Kraftangriff in der Mitte ergibt sich dort die Durchbiegung

[blocks in formation]

deutscher Ingenieure

Die gesamte Durchbiegung unter dem gleichzeitigen Einfluß von Pp und Pg sei

f=yp+ye (cm),

woraus sich die zugehörige minufliche Eigenschwingungszahl für senkrechte Schwingungen wieder nach

ne

1

[ocr errors]

300

f

ergibt. Wie weiter oben für Abb. 2, führt diese Formel bei nur gleichmäßiger Belastung auf etwas zu niedrige Werte; anderseits sind die Massen der Pfeiler wegen ihrer geringen Ausschläge nicht gesondert berücksichtigt worden, so daß das Ergebnis aus diesem Grund wieder etwas zu hoch ist. Beide Einflüsse, die an sich klein sind, sind also entgegengesekt, so daß die Ergebnisse von Gl. 6 und 7 zumeist recht genau sein dürften.

In Abb. 5 wird die Verbiegung eines Systems aus Querträger und zwei Pfeilern unter wagerechten Kräften in der Richtung des Querträgers dargestellt. Gleichförmig verteilte Belastung kommt hier nicht in Frage.

Zur Ermittlung der Eigenschwingungszahl genügt es, die wagerechte Durchbiegung f für den Fall zu berechnen, wo die Schwerkraft nicht lofrecht, sondern wagerecht wirken würde. Als Gewicht P ist dann die Summe der Gewichte des Querträgers, der darauf und auf den Pfeilern lastenden Maschinenteile und ein bestimmter Anteil des Pfeilergewichts, im allgemeinen rd. 33 bis 40 vH, einzuseßen. Auch die unmittelbar anschließenden Längsträger und ihre Belastungen sind mit rd. % ihrer Masse zu berücksichtigen. Der Wert % ist aber ein roher Verhältnissaß und ändert sich je nach dem Einzelfall. Als Durchbiegung erhält man so

[blocks in formation]

Die Eigenschwingungszahl läßt sich daraus in der angegebenen Weise ermitteln.

Die Vernachlässigung der Längsträger hat in Abb. 2 und 3 auf die Schwingungen des Querfrägers keinen Einfluß. Bei Schwingungen nach Abb. 4 werden die Längsträger um ihre Achsen verdreht. Ihre Massen befeiligen sich wegen ihres geringen Abstandes von den Drehachsen ganz wenig an den Schwingungen, ihre Vernachlässigung ist daher gerechtfertigt. Es läßt sich ferner zeigen, daß die Schwingungen infolge der Drehsteifigkeit der Längsträger auf die nächsten Pfeiler oder den nächsten Querträger nur wenig übertragen werden können, da die Drehsteifigkeit der Längsträger gegenüber der Biegungssteifigkeit der Querträger und der Pfeiler zumeist gering ist. In einem bestimmten Fall hat sich z. B. ergeben, daß sich die Eigenschwingungszahl, selbst unter der Annahme, die Längsträger seien am andern Ende fest eingespannt, nur um ~ 5 vH erhöhen würde. Die Drehsteifigkeit der Längsträger ist also nur dort zu berücksichtigen, wo sie im Vergleich zu den Querträgern kurz sind und großes Trägheitsmoment haben.

N

Bei Schwingungen nach Abb. 5 habe ich die Masse der Längsträger bereits berücksichtigt. Ihre Biegungssteifigkeit allerdings nicht, da sie zu sehr vom Einzelfall abhängt. Die Biegungssteifigkeit der Längsträger L, Abb. 1, gegen wagerechte Schwingungen des Systems S2 Q1 S spielt eine um so größere Rolle, je mehr der Längsträger am andern Ende (bei e) als fest eingespannt angesehen werden kann, d. h. je steifer gegen Verdrehung der Pfeiler S' ist.

Ist die Drehsteifigkeit der Pfeiler S und S' so groß, daß man die Längsträger dort als fest eingespannt betrachten kann, so ermittelt sich die wagerechte Eigenschwingungszahl des Trägersystems Q1 S1 S2 L L aus der unter dem Einfluß der Steifigkeit der Pfeiler und Längsträger entstehenden Durchbiegung P 13 b3

[ocr errors]

(9)

Hierbei ist die Länge der Längsträger und ihr äquaforiales Trägheitsmoment. Da die Drehsteifigkeit der auf die Längsträger folgenden Pfeiler S und S2' usf. im allgemeinen nur gering ist, kann man vom Einfluß der Biegungssteifigkeit der Längsträger absehen.

Diese Formeln lassen sich sinngemäß in dem seltenern Fall anwenden, wo die Eigenschwingungszahlen der aus einem Längsträger und zwei zugehörigen Pfeilern bestehenden Anordnung wichtig sind. Solche Schwingungen könnten z. B. durch schwankende magnetische Kräfte hervorgerufen werden. Für die wichtigeren Schwingungen von Fundamenten ergeben sich so übersichtliche Formeln, daß ihre allgemeine

1. Juli 1922

Die Verwendung elektrischer Energie zu chemischen Zwecken

Anwendung in der Praxis lohnend sein dürfte. Neben diesen Schwingungen können unter Umständen noch verwickeltere auftreten, worauf aber angesichts ihrer geringeren Bedeutung nicht eingegangen werden soll.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei ausdrücklich bemerkt, daß etwaige Exzentrizität der Welle keinerlei Einfluß auf die Eigenschwingungszahlen von Fundamenten hat; auch der Masse der auf der Welle angeordneten Maschinenteile (Anker, Laufräder) kommt wie der Exzentrizität nur insofern Bedeutung zu, als bei großen Massen und Exzentriztäten die erzwungenen Schwingungsausschläge größer werden. Oft wird gefragt, welche Exzentrizitäten im Betrieb, nicht bei ruhender Welle oder welche Schwingungsausschläge der Welle und der Lager noch zulässig sind. Man muß sich dabei vergegenwärtigen, daß für die Halbarkeit, nicht der Ausschlag a, sondern die Beanspruchung, der Maßstab ist; diese wird aber durch die Massenkraft mb bestimmt, welche infolge der Schwingungsbeschleunigungen b=wa entsteht. Die Frage wäre also zweckmäßiger nach der Beschleunigung zu stellen.

669

Rein auf Grund der Erfahrung könnte man Beschleunigungen bis zur Größe der Erdbeschleunigungen noch gut zulassen, die bei Schwingungs- oder Drehzahlen von 3000 Uml./min einen Ausschlag von rd. 0,1 mm ergeben. Im voraus anzugeben, welche Ausschläge an den Lagern auftreten oder welche Exzentrizitäten die einzelnen Massen auf der Welle annehmen, ist zur Zeit unmöglich. Nur durch umfangreiche Schwingungsmessungen an verschiedenen Turbinen wird man mit der Zeit dahin gelangen.

Ergibt nun die Berechnung, daß irgendeine Eigenschwingungszahl der Fundamente nahe an die Betriebsdrehzahl der Welle herankommt, so muß man den betreffenden Fundamentfeil entweder verstärken oder, seltener, verschwächen. Auf alle Fälle soll dafür gesorgt werden, daß zwischen Betriebsdrehzahl und den berechneten Eigenschwingungszahlen Unterschiede von mindestens 30 vH bestehen. Wo sich das nicht durchführen läßt, empfiehlt sich die Messung der wirklichen Eigenschwingungszahlen mit Hilfe des Vibrographen, damit man sich von vornherein über die zu erwartenden Schwingungen klar ist. [1190]

Die Verwendung elektrischer Energie
zu chemischen Zwecken

behandelte Direktor Johannes Heß, München, eingehend auf der Jahresversammlung des Verbandes deutscher Elektrotechniker (s. S. 675).

Die im Bau befindlichen und geplanten großen Elektrizitätswerke in Bayern, Württemberg und Baden werden keine unverwertbaren Energiemengen erzeugen, wenn der stark entwicklungsfähige Bedarf der chemischen Industrie berücksichtigt wird; der weitere Ausbau auch von feuren Wasserkraftanlagen ist dringend notwendig. Der Bedarf Deutschlands an elektrischer Leistung für elktrochemische Zwecke ist im Kriege von 100 000 auf 350 000 bis 400 000 kW gestiegen. Für die ungeheure und vielseitige Verwendung elektrochemischer Erzeugnisse waren wir nicht vorbereitet. Die heutige Wirtschaft stellt infolge der Geldentwertung eine Fortseßung der Kriegswirtschaft dar und erfordert eine weitere Entwicklung der chemischen Industrie insbesondere zur Erzeugung von Stickstoff, Aluminium und Karbid sowie zur Karbidveredlung.

Seit Siemens und Gramme steht die Elektrochemie in Wechselbeziehung zum Elektromaschinen- und Kraftwerkbau. Heute sind Gleichstromerzeuger bis zu 4000 kW bei 8000 A sowie Einankerumformer bis zu 5000 kW in Benußung und Maschinen bis zu 6400 kW bei 16 000 A im Bau; Wechselstrommaschinen können bis zu allen praktisch erforderlichen Leistungen gebaut werden. Für Gleichstromschalter liegen bis 20 000 A bei 250 V einwandfreie Konstruktionen vor. Als Arbeitspannungen haben sich bei elektrolytischen Anlagen 220 bis 500 V, bei elektrothermischen 100 bis 160 V eingebürgert.

Die Stickstoffrage ist mehr wirtschaftlicher als technischer Art. Der Landwirtschaft ist 1920 mit 212000 † gut dieselbe Menge Stickstoff zugeführt worden wie 1913, aber die Belieferung mit Phosphorsäure blieb mit 268 000 f um 360 000 t gegen die vor dem Kriege zurück. Zum Ausgleich des Ausfalls an Stalldüngung werden 100 000 bis 200 000 f Stickstoff erforderlich bleiben. Die Aufnahmefähigkeit des Bodens für Stickstoffdünger ist allerdings bedeutend höher. Der Mehrertrag würde bis zu etwa 1,4 Mill. annähernd proportional steigen, aber diese Mengen lassen sich vorläufig nicht beschaffen und würden gleichzeitig die Belieferung mit etwa 500 000 bis 600 000 t Phosphorsäure erfordern, was ebenfalls noch nicht durchführbar ist. Heute können nach dem Haber-Bosch-Verfahren 300 000 t, als Kalkstickstoff 70 000 t sowie aus Kokereien und Gasanstalten ebenfalls 70 000 t gewonnen werden. Nach Abzug des Bedarfs für die chemische Industrie wäre eine Mehrerzeugung von 100 000 Stickstoff für die Steigerung der Ernteerträge erforderlich.

Für 100 000 nach dem Haber-Bosch-Verfahren gewonnenen Ammoniakwassers sind unter Ersak des bisherigen kohlenverbrauchenden Verfahrens zur Gewinnung des notwendigen Wasserstoffes (6 bis 12 kg Kohle auf 1 kg Stickstoff) durch elektrolytische Gewinnung aus Wasser etwas mehr als 2 Milliarden kWh bei 240 000 kW Mittelleistung erforderlich. Das Verfahren erfordert gleichbleibende Jahresleistung, pakt sich aber veränderlichen Tagesleistungen an. Bei der Wasserstofferzeugung lassen sich Spikenleistungen ausnuten. Kalkstickstoff-Verfahren würde für 100 000 1,6 Milliarden kWh bei 190 000 kW Mittelleistung sowie 380 000 t Koks und 700 000 Kalkstein brauchen. Die Erzeugung des hierfür erforderlichen Kalziumkarbids würde sich den jährlichen Schwankungen der Wasserkräfte gut anpassen.

Das

Die deutsche Aluminiumindustrie hat sich im wesentlichen erst im Kriege entwickelt, wo die Werke in Berlin-Rummelsburg, Horrem bei Köln, Bitterfeld und besonders das Laufawerk mit 56 000 kW und das Erftwerk mit 60 000 kW entstanden sind, während das Innwerk der Bayrischen Aluminium A.-G. mit 36 000 kW für 8000 f Jahreserzeugung noch im Bau ist. Das deutsche Bauxitvorkommen ist zwar unzureichend, unsre Tonerdeindustrie hat sich aber zu einem mächtigen Zweig der Rohstoffveredelung entwickelt und führt einen großen überschuß nach dem Ausland aus. Das Verfahren, deutschen Ton auf Tonerde zu verarbeiten, ist außerdem technisch reif. Der Aluminiumbedarf wird von J. W. Richards, nach amerikanischen Verhältnissen beurteilt, in den nächsten 50 Jahren auf 1 Mill. t geschäßt. Der deutsche Bedarf beträgt heute etwa 15 000 bis 18 000 f, während die vorhandenen Werke 28 000 liefern können. Auf die Dauer wird die Erzeugung mit Braunkohlenstrom kaum wirtschaftlich sein. Für den Wettbewerb mit den abgeschriebenen ausländischen Werken kommen in erster Linie Werke für günstigen Strombezug aus Wasserkraftwerken in Frage.

An Kalziumkarbid erzeugt Deutschland jekt 300 000 t im Jahr, wozu 350 Mill. kWh aus Wasserkraftwerken und 850 Mill. kWh im wesentlichen aus Braunkohlenwerken verbraucht werden. Das Absaßgebiet liegt hauptsächlich in Mitteldeutschland, weshalb die süddeutschen auf Wasserkräfte begründeten Werke durch die Beförderungskosten sehr benachteiligt sind. Aus diesem Grunde ist hier die Veredelung an Ort und Stelle geboten, die zur Gewinnung von Kalkstickstoff und über das Azetylen zu verschiedenen Erzeugnissen, z. B. Azefaldehyd, und weiter zu Essigsäure, Alkohol und Essigäther, Azeton und künstlichem Kautschuk führt. Die nach dem Branntweingesek mögliche synthetische Herstellung von 50 000 hl Alkohol durch Reichsmonopol erfordert 60 Mill. kWh und 7000 Koks, wobei 41 000 Kartoffeln und 750 Malzgetreide für die Ernährung frei würden..

Als weitere im elektrischen Ofen zu gewinnende Erzeugnisse der elektrochemischen Industrie führte Heß die Ferrolegierungen, insbesondere Ferrosilizium, Ferrochrom, Ferrochromnickel und Ferrowolfram an. An Elektrostahlöfen sind nach Prof. V. Engelhardt hauptsächlich in den Eisenhüttengebieten 68 verschiedenster Bauart für insgesamt 440 t Fassung aufgestellt, davon 25 Héroult-Ofen für 1901, 21 der Bauart Röchling-Rodenhauser für 147 und u. a. 6 NathusiusOfen für 421 Fassung. Von den übrigen kurz behandelten elektrochemischen Erzeugnissen seien hier noch erwähnt: Korund, Phosphat, Magnesium, Natrium, Kalzium, Zink- und Nickelchlorid und -sulfat und Wasserstoffsuperoxyd, als Verfahren schließlich die Cotrellsche Gasreinigung, die Elektroosmose für Kaolinaufbereitung, Graphifaufschließung und Gerbung.

Die elektrochemische Industrie als Stromverbraucher ist heute in Deutschland noch im wesentlichen auf Braunkohle eingestellt. Bei weiterem Ausbau der Wasserkräfte wird sie große Energiemengen, meist allerdings nur bei günstigem Strombezug, aufnehmen können. Reine Abfallkraft, Nachtoder Spikenstrom genügen nicht. Die schmelzflüssige Elektrolyse bedingt während des ganzen Jahres und auch tagsüber gleichmäßige Leistung, die wässerige Elektrolyse gleichbleibende Jahresleistung, läßt aber zum Teil Tagesschwankungen zu. Den Schwankungen der Wasserkräfte passen sich elektrothermische Verfahren am besten an. In vielen Fällen ist eine jährliche Benußungsdauer von 8600 h durchführbar und erreicht. [M 164] K. M

Konstruktionsforderungen und Eigenschaften des Stahles

Von Dr.-Ing. K. Wendt, Essen

(Auszugsweise vorgetragen in der 62. Hauptversammlung des Vereines deutscher Ingenieure zu Dortmund 1922)
(Schluß von Seite 648)

3. Der geschmiedete und gewalzte Stahl

Die mechanische Formgebung durch Warm- oder Kaltrecken zielt ebenso wie das Glühen von gegossenem Stahl auf eine Verfeinerung des Kornes und eine Verbesserung der Festigkeitseigenschaften des Stahles. Durch die mechanischen Kräfte wird jedoch ein ungleich höheres Maß von Verfeinerung und Verbesserung erreicht als allein durch die Wirkung der Wärme. An der Gesamtwirkung von chemischer Zusammenseßung, mechanischer und Wärme-Behandlung auf die Festigkeitseigenschaften von Stahl hat die Warmformgebung einen großen, aber je nach der Form und den Abmessungen eines Konstruktionsteiles und den hierdurch bedingten Möglichkeiten der Formgebung verschiedenen Anteil.

Je einfacher die Form und je kleiner vor allen Dingen der Querschnitt eines Konstruktionsteiles, desto größer sind die durch die Warmformgebung erreichbaren Verbesserungen des Gefüges und damit der Festigkeitseigenschaften des Stahles. Der Verarbeitungsgrad, ausgedrückt durch das Verhältnis vom Querschnitt des Rohgusses zum Querschnitt des geschmiedeten oder gewalzten Stahles, braucht aber entgegen vielfach vorhandenen Auffassungen dabei nicht größer zu sein als etwa 3:1 (dreifache Verschmiedung). Bei einem höheren Verarbeitungsgrad lassen sich im allgemeinen die Eigenschaften in der Streckrichtung zwar noch verbessern, senkrecht dazu nimmt aber die Zähigkeit ab. Der Grund für dieses eigenartige Verhalten ist die Entstehung einer sogenannten Faser. Durch die beim Schmieden oder Walzen eintretende Streckung des Stahls werden die im Rohquß annähernd gleichmäßig verteilten nichtmetallischen Einschlüsse in der Richtung der Kraftwirkung einander genähert und in gestreckte Reihen gelagert. Hierdurch entsteht eine Art Faser im Gefüge des Stahles. Die Zähigkeit des Stahles ist quer zu dieser Faser geringer als parallel zu ihr, und zwar um so geringer, je größer die Streckung war. Bei der Formgebung muß deshalb nach Möglichkeit die Streckung in der Richtung der spätern Beanspruchung des Konstruktionsteiles

Vor

[merged small][graphic][merged small][merged small]

Abb. 91. Faserverlauf bei verbogener Kurbelwelle.

Bei vielen und häufig sehr hoch beanspruchten Schmiedestücken ist aber eine Formgebung in obigem Sinn oft nur schwer oder überhaupt nicht durchführbar. Ein in dieser Beziehung besonders bemerkenswerter Fall ist die Herstellung von Kurbelwellen. Bei kleinen Kurbelwellen, z. B. für Motorwagen, gelingt es bei günstigen Formen noch, durch Einschlagen von vorgebogenen Stäben ins Gesenk den Verlauf der Faser im Sinne der Beanspruchung zu gestalten. Abb. 91 zeigt tlen Verlauf der Faser in einer solchen Welle. Gewöhnlich, besonders bei schweren Kurbelwellen mit mehreren Kröpfungen, ist das geschilderte Verfahren nicht anwendbar. Man ist dann gezwungen, die gekröpften Teile der Welle zunächst als volle Klöße, die durch die rund geschmiedeten Wellenteile verbunden sind, auszuschmieden und diese Klöße durch mechanische Bearbeitung in die gewünschte Form zu bringen. Durch das Herausarbeiten der Kurbelhübe wird dabei der beim Schmieden erteilte Faserverlauf unterbrochen. Abb.92

[graphic]

1. Juli 1922

[graphic]

zeigt len Faserverlauf einer nur keinen, mit der Hand geschmiedeten Kurbelwelle mit ausgestochenen Hüben. Die mit diesem Herstellverfahren verbundenen Nachteile sucht man bei hohen Anforderungen durch höhere Legierungsart und thermische Veredlung des Stahles wieder auszugleichen. Sie lassen sich auch durch konstruktive Maßnahmen vermeiden, indem man die Wellen aus mehreren Teilen zusammenbaut, statt sie aus einem Stück zu schmieden. Allerdings ist man dann darauf angewiesen, größere Kurbelblattbreiten zu nehmen, auch bekommt die Welle eine größere Empfindlichkeit gegenüber periodisch rasch wechselnden Drehbeanspruchungen. Bei Dampfmaschinen fallen diese beiden Gesichtspunkte wenig ins Gewicht, weil die aus dem Zylinder durchmesser sich ergebende gesamte Maschinenlänge größer ist als die durch die Lagerlängen und Kurbelblattbreiten bedingte, und weil in der Regel bei Dampfmaschi

Abb. 92. raserverlauf bei vollgeschmiedeter Kurbelwelle.

nen kritische Drehzahlen (Torsionsschwingungen) nicht in störendem Maß auftreten. Bei Dieselmaschinen stellt die einteilig geschmiedete Welle in jedem Fall die höherwertige Konstruktion dar, denn jedes Zentimeter an ersparter Kurbelblattbreite kommt den Lagerflächen zugute, was bei den hochbelasteten Lagern dieser Maschine in allen Fällen die Lebensdauer verlängert, oft aber den Bau der Maschine überhaupt erst ermöglicht. Gegenüber diesem Mehr an Lagerfläche tritt sogar die weniger vollkommene Durcharbeitung des Baustoffes in den Hintergrund, so wichtig sie im übrigen auch ist. Ferner ist die Gefahr des Losewerdens der Schrumpfverbindungen, das ja schon bei Dampfmaschinen in Ausnahmefällen beobachtet wird, unvergleichlich viel größer, weil es nicht möglich ist, sechszylindrige Dieselmaschinen so zu bauen, bei welchen zwischen dem Stillstand und der vollen Drehzahl keine Torsionsschwingungen auftreten. Ferner ist es auch heute noch schwierig, die bei der verlangten Betriebsdrehzahl wirklich eintretende Mehrbeanspruchung durch Torsionsschwingungen genau zu schäßen. Diese hängt nicht nur von der Maschine selbst ab, sondern auch von der Art der damit gekuppelten Wellen und Arbeitsmaschinen. Schließlich ist das sehr viel höhere Gewicht der gebauten Welle bei dem auf Gewichtersparnis angewiesenen Dieselmotorenbau besonders für den Schiffbau unerwünscht.

Unter diesen Umständen sind bei Motoren die aus dem vollen herausgearbeiteten Kurbelwellen den zusammengesetten vorzuziehen, soweit nicht die Größe der Abmessungen die einteilige Herstellung unmöglich macht, was heute wohl bei drei Kurbeln mit mehr als 1300 mm Hub eintreten dürfte.

Der Metallurge geht in seinen Überlegungen für die Herstellung eines zu schmiedenden Konstruktionsteiles mit bestimmten Eigenschaffen immer von der Form und den Abmessungen des betreffenden Teiles aus. Er sucht zuerst die Möglichkeit wirksamster Warmverarbeitung und wählt danach erst die beste chemische Zusammenseßung des Stahles und seine Warmbehandlung. Der heutige Stand unserer Kenntnisse gestattet uns noch keine erschöpfende Darstellung der außerordentlich vielseitig gestalteten Verhältnisse. Jedenfalls. sind die in einem bestimmten Punkt des Arbeitstückes vorhandenen Eigenschaften abhängig von der chemischen Zusammenseßung, der Art, Menge und Anordnung der Einschlüsse, dem Grad der Verschmiedung, dem Faserverlauf, der Wärmebehandlung und dem heute noch wenig erforschten Spannungszustand. Da wir von allen diesen Dingen die zahlenmäßigen Beziehungen heute noch nicht kennen, sind wir in bezug auf den Erfolg bei der Herstellung von Schmiedestücken noch zum großen Teil auf die Erfahrung angewiesen. An einer Reihe von Beispielen sollen daher zunächst die sehr wichtigen Beziehungen zwischen Warmformgebungs-Querschnitt und Festigkeitseigenschaften für die wichtigsten Konstruktionsstähle dargestellt werden.

Die Festigkeitseigenschaften von Kohlenstoffstählen in Abhängigkeit von ihren Kohlenstoffgehalten sind bereits in Abb. 35, S. 615, dargestellt worden. Die dort aufgeführten Festigkeitswerte im geglühten Zustand gelten für geschmiedete Siemens-Martin-Stähle von mittlerem Schmiedequerschnitt. Die aus dieser Kurve abzulesenden Festigkeitswerte sind mittlere Erfahrungswerte, die den schwankenden Gehalten der stets vorhandenen Nebenbestandteile Silizium, Mangan und Phosphor Rechnung tragen. Welch große Wertunterschiede sich aber bei Kohlenstoffstählen in bezug auf die Streckgrenze und die Kerbzähigkeit bei gleicher Zusammenseßung und Warmbehandlung in verschieden großen Schmiedequerschnitten ergeben können, zeigt Zahlentafel 16. Die Werte lassen erkennen, daß die Festigkeit praktisch nicht beeinflußt wird, während die Streckgrenze und insbesondere die Kerbzähigkeit in hohem Maße vom Schmiedequerschnitt abhängen. Die Kerbzähigkeit beträgt bei einer Pundstange aus Kohlenstoffstahl von 300 mm Dmr. nur wenig mehr als die Hälfte derjenigen Zähigkeit, welche bei gleichem Stoff in einer Stange von 60 mm Dmr. zu erreichen ist.

Zahlentafel 17 enthält die Ergebnisse von Zerreiß- und Kerbschlagproben eines Chromstahls, der in Stangen von zwei verschiedenen Querschnitten, von 180 und 60 mm Dmr. dersleben Art der Vergütung unterworfen wurde. Die Probe von 180 mm Dmr. wurde durch Schmieden hergestellt (Zahlen der oberen Reihe), die Probe von 60 mm Dmr. wurde einmal durch Heraussägen aus dem Stabe von 180 mm Dmr. (Zahlen der mittleren Reihe) und einmal durch Schmieden (Zahlen der unteren Reihe) hergestellt. Auf den Gußquerschnitt bezogen, entsprach der Verschmiedungsgrad in den Proben von 180 und 60 mm Dmr. in beiden Fällen dem günstigsten Verhältnis von 3:1. Neben der höheren Streckgrenze, die durch die Vergütung in den kleineren Querschnitten erzielt wurde, verdient besonders die große Erhöhung der Zähigkeit in dem

[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][subsumed][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small]
« ZurückWeiter »